Auszug aus der Rezension von Prof. Dr. Dieter Wuttke, Bamberg [David Freedberg / Jan de Vries, eds., Art in history - History in Art. Studies in seventeenth-century Dutch culture. Santa Monica, CA, 1991], in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur Bd. 21, 2. Heft (1996), S. 186-188, S. 187-188:“Den ganzen Band durchzieht die Frage, was soll und darf der Historiker, was der Kunsthistoriker an der Kunst erforschen. Bei Freedberg kommt endlich die Erkenntnis, daß vor der wissenschaftlichen Wahrheit Fächergrenzen obsolet sind. Nur weil bei den Teilnehmern des Symposions das Grenzbewußtsein noch zu stark verankert war, konnten sie nicht erkennen, daß nicht Huizinga, sondern Aby M. Warburg als Historiker und Kunsthistoriker zugleich zuerst den Weg in die neue Kulturwissenschaft gewiesen hat, der hier gebahnt werden soll. Im Schlußsatz auf S. 418 treffen sich Freedberg und Warburg: unbemerkt entdeckt Freedberg Warburgs Ansatz neu. So stehen wir am Ende dieses Jahrhunders dort, wo wir am Anfang bereits waren [Fußnote: ‘Dieter Wuttke: Aby M. Warburgs Kulturwissenschaft. In: Historische Zeitschrift 253 (1993), S. 1-30, jetzt leicht überarbeitet in D. W.: Dazwischen. Kulturwissenschaft auf Warburgs Spuren. Baden-Baden 1996.] Wir müssen uns auch fragen, ob unser distanzierter Umgang mit Panofsky - sein Name spielt in diesem Buch so gut wie keine Rolle mehr - berechtigt ist. An zahlreichen Stellen des Bandes wird Vernunft, Maßhalten im Anwenden von Methoden als Korrektiv eingefordert: genau dies hat Panofsky gelehrt. Und W. S. Heckscher? Kein Wort fällt über ihn. Hat er nicht in seinem großen Buch über Rembrandts Anatomie des Dr. Tulp von 1958 Ikonologie und Sozialgeschichte ganz selbstverständlich miteinander verbunden und dies als Schüler Panofskys? Aber übersehen wurde auch das methodisch und sachlich höchst anregende Buch von Hildegard Hammerschmidt: Die Importgüter der Handelsstadt London als Sprach- und Bildbereich des elisabethanischen Dramas [Heidelberg, 1979], das einen Exkurs über holländische Stilleben hat. Es bietet eben jene Verbindung von Wirtschafts-, Sozial- und Kunstgeschichte, nach der sowohl die Historiker wie die Kunsthistoriker des Symposiums Ausschau hielten.Wenn es auf der Welt eine Institution gibt, die in der Lage ist, eine neue Kulturwissenschaft nachhaltig zu fördern, dann ist es das Getty Center in Santa Monica. Dies müßte zukünftig jedoch noch stärker auf Qualität und Interdisziplinarität setzen.”***Rezension von Prof. Dr. Dieter Wuttke, Bamberg, in: Bibliographie zur Symbolik, Ikonographie und Mythologie 14 (1981), S. 55, Nr. 208:“Dies anregende und aufschlußreiche, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützte Werk zeichnet im 1. Teil den wirtschafts- und kulturgeschichtlichen Hintergrund und zeigt dann im 2., dem Hauptteil, inwieweit das elisabethanische Drama die Importgüter Londons in seine sprachlich-bildliche Verwendung nimmt. Die Bedeutungsforschung ist am ehesten angesprochen, wo die Verfasserin von der Metaphorik im Drama Shakespeares handelt (242-278). Sie vermag auf der Grundlage umfassender Wortschatzuntersuchung einsichtig zu machen, daß die durch das neue Wortgut bereicherte Metaphorik in diesem Falle ‘Symbolkraft’ gewinnen kann. Ein methodologischer Ausblick und umfangreiche Register sowie ein - freilich recht knapp - gehaltener Appendix zu parallelen Entsprechungen in der niederländischen Stilleben-Malerei (hierzu 8 Farbtafeln) runden das Grundlagenwerk ab (Wk].”***Auszug aus der Rezension von Prof. Dr. Wolfgang Speyer, Salzburg, in: Arcadia. Zeitschrift für Vergleichende Literaturwissenschaft (1980), S. 331-332:“Auf welche Weise die genannten literaturwissenschaftlichen
Aufgaben [die Erforschung der Auswirkungen von Kulturbegegnungen auf allen Lebensgebieten]
zu lösen sind, dafür liegt jetzt ein Muster und Vorbild in der hier
anzuzeigenden Habilitationsschrift aus der Schule des Anglisten Horst Oppel
vor. Nach einem Einblick in die methodischen Vorausssetzungen dieser sprach-
und literaturkundlichen Studie [...] skizziert die Vf. im ersten Hauptteil den
wirtschafts- und kulturgeschichtlichen Hintergrund des elisabethanischen Zeitalters
(27-129). London wird als die bedeutendste Handelsstadt Nordeuropas im späten
XVI. Jahrhundert bewertet. Von diesem Zentrum aus erlebt der Leser die Geschichte
der Entdeckungen und der zahlreichen den Entdeckern folgenden Handelsgesellschaften,
von denen eine bezeichnenderweise ‘Merchants of Venice’ hieß.
Hierauf entwirft die Vf. ein realistisches Bild, wie sich das tägliche
Leben jener Zeit infolge der eingeführten Waren gewandelt hat. Wir lernen
Gefäße kennen, ferner die durch die Importe verursachten Änderungen
in Kleidung, Kosmetik und Ausstattung der Häuser. Die Spuren der neuentdeckten
Länder, ihrer Völker und Produkte, vor allem Amerikas, Rußlands
und Indiens, werden hier überall sichtbar. Diese sorgfältige und reich
dokumentierte Analyse erlaubt es der Vf. im zweiten Teil (131 - 277), Szenen
und Einzelaussagen der elisabethanischen Dramen, nicht zuletzt Shakespeares,
treffender als bisher aus der Realität des Tages zu erklären und so
die geschichtliche, vor allem die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedingtheit
vieler Ausdrucksmittel dieser Dichtungen nachzuweisen. [...] Ein ausgesprochener
Sinn für Realität ermöglicht es der Vf., der realitätsgesättigten
Dichtung jenes großen Jahrhunderts Englands gerecht zu werden. Daß
die aufgewiesenen Bedingtheiten nicht auf die Literatur dieser Zeit beschränkt
geblieben sind, sondern ebenso in der Malerei vornehmlich der Welthandelsmacht
Niederlande ihren Niedersclag gefunden haben, hat die Vf. treffend beobachtet
und durch ausgewählte Beispiele der Stillebenmalerei des XVI. und XVII.
Jahrhunderts illustriert (Taf. 1-8). So betrifft der methodische Ansatz dieser
außergewöhlich ergebnisreichen Untersuchung auch die Kunstwissenschaft
des Manierismus und des Barock in Nordeuropa. Eine derartig verstandene Philologie
wird zur Kulturwissenschaft und hilft dazu, die Aufsplitterung in geistes- und
sozialwissenschaftliche Fächer zu überwinden.
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