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Aktualisiert: 01. Oktober 2007 / updated: 01 October 2007

Die Importgüter der Handelsstadt London als Sprach- und Bildbereich des elisabethanischen Dramas

[The Import Commodities of the City of London and their Impact on the Life-Style, Language, and Dramatic Literature of Elizabethan England]

c. Rezensionen und Stellungnahmen / Book reviews and comments

Auszug aus der Rezension von Prof. Dr. Dieter Wuttke, Bamberg [David Freedberg / Jan de Vries, eds., Art in history - History in Art. Studies in seventeenth-century Dutch culture. Santa Monica, CA, 1991], in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur Bd. 21, 2. Heft (1996), S. 186-188, S. 187-188:

 

“Den ganzen Band durchzieht die Frage, was soll und darf der Historiker, was der Kunsthistoriker an der Kunst erforschen. Bei Freedberg kommt endlich die Erkenntnis, daß vor der wissenschaftlichen Wahrheit Fächergrenzen obsolet sind. Nur weil bei den Teilnehmern des Symposions das Grenzbewußtsein noch zu stark verankert war, konnten sie nicht erkennen, daß nicht Huizinga, sondern Aby M. Warburg als Historiker und Kunsthistoriker zugleich zuerst den Weg in die neue Kulturwissenschaft gewiesen hat, der hier gebahnt werden soll. Im Schlußsatz auf S. 418 treffen sich Freedberg und Warburg: unbemerkt entdeckt Freedberg Warburgs Ansatz neu. So stehen wir am Ende dieses Jahrhunders dort, wo wir am Anfang bereits waren [Fußnote: ‘Dieter Wuttke: Aby M. Warburgs Kulturwissenschaft. In: Historische Zeitschrift 253 (1993), S. 1-30, jetzt leicht überarbeitet in D. W.: Dazwischen. Kulturwissenschaft auf Warburgs Spuren. Baden-Baden 1996.] Wir müssen uns auch fragen, ob unser distanzierter Umgang mit Panofsky - sein Name spielt in diesem Buch so gut wie keine Rolle mehr - berechtigt ist. An zahlreichen Stellen des Bandes wird Vernunft, Maßhalten im Anwenden von Methoden als Korrektiv eingefordert: genau dies hat Panofsky gelehrt. Und W. S. Heckscher? Kein Wort fällt über ihn. Hat er nicht in seinem großen Buch über Rembrandts Anatomie des Dr. Tulp von 1958 Ikonologie und Sozialgeschichte ganz selbstverständlich miteinander verbunden und dies als Schüler Panofskys? Aber übersehen wurde auch das methodisch und sachlich höchst anregende Buch von Hildegard Hammerschmidt: Die Importgüter der Handelsstadt London als Sprach- und Bildbereich des elisabethanischen Dramas [Heidelberg, 1979], das einen Exkurs über holländische Stilleben hat. Es bietet eben jene Verbindung von Wirtschafts-, Sozial- und Kunstgeschichte, nach der sowohl die Historiker wie die Kunsthistoriker des Symposiums Ausschau hielten.

Wenn es auf der Welt eine Institution gibt, die in der Lage ist, eine neue Kulturwissenschaft nachhaltig zu fördern, dann ist es das Getty Center in Santa Monica. Dies müßte zukünftig jedoch noch stärker auf Qualität und Interdisziplinarität setzen.”

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Rezension von Prof. Dr. Dieter Wuttke, Bamberg, in: Bibliographie zur Symbolik, Ikonographie und Mythologie 14 (1981), S. 55, Nr. 208:

“Dies anregende und aufschlußreiche, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützte Werk zeichnet im 1. Teil den wirtschafts- und kulturgeschichtlichen Hintergrund und zeigt dann im 2., dem Hauptteil, inwieweit das elisabethanische Drama die Importgüter Londons in seine sprachlich-bildliche Verwendung nimmt. Die Bedeutungsforschung ist am ehesten angesprochen, wo die Verfasserin von der Metaphorik im Drama Shakespeares handelt (242-278). Sie vermag auf der Grundlage umfassender Wortschatzuntersuchung einsichtig zu machen, daß die durch das neue Wortgut bereicherte Metaphorik in diesem Falle ‘Symbolkraft’ gewinnen kann. Ein methodologischer Ausblick und umfangreiche Register sowie ein - freilich recht knapp - gehaltener Appendix zu parallelen Entsprechungen in der niederländischen Stilleben-Malerei (hierzu 8 Farbtafeln) runden das Grundlagenwerk ab (Wk].”

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Auszug aus der Rezension von Prof. Dr. Wolfgang Speyer, Salzburg, in: Arcadia. Zeitschrift für Vergleichende Literaturwissenschaft (1980), S. 331-332:

“Auf welche Weise die genannten literaturwissenschaftlichen Aufgaben [die Erforschung der Auswirkungen von Kulturbegegnungen auf allen Lebensgebieten] zu lösen sind, dafür liegt jetzt ein Muster und Vorbild in der hier anzuzeigenden Habilitationsschrift aus der Schule des Anglisten Horst Oppel vor. Nach einem Einblick in die methodischen Vorausssetzungen dieser sprach- und literaturkundlichen Studie [...] skizziert die Vf. im ersten Hauptteil den wirtschafts- und kulturgeschichtlichen Hintergrund des elisabethanischen Zeitalters (27-129). London wird als die bedeutendste Handelsstadt Nordeuropas im späten XVI. Jahrhundert bewertet. Von diesem Zentrum aus erlebt der Leser die Geschichte der Entdeckungen und der zahlreichen den Entdeckern folgenden Handelsgesellschaften, von denen eine bezeichnenderweise ‘Merchants of Venice’ hieß. Hierauf entwirft die Vf. ein realistisches Bild, wie sich das tägliche Leben jener Zeit infolge der eingeführten Waren gewandelt hat. Wir lernen Gefäße kennen, ferner die durch die Importe verursachten Änderungen in Kleidung, Kosmetik und Ausstattung der Häuser. Die Spuren der neuentdeckten Länder, ihrer Völker und Produkte, vor allem Amerikas, Rußlands und Indiens, werden hier überall sichtbar. Diese sorgfältige und reich dokumentierte Analyse erlaubt es der Vf. im zweiten Teil (131 - 277), Szenen und Einzelaussagen der elisabethanischen Dramen, nicht zuletzt Shakespeares, treffender als bisher aus der Realität des Tages zu erklären und so die geschichtliche, vor allem die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedingtheit vieler Ausdrucksmittel dieser Dichtungen nachzuweisen. [...] Ein ausgesprochener Sinn für Realität ermöglicht es der Vf., der realitätsgesättigten Dichtung jenes großen Jahrhunderts Englands gerecht zu werden. Daß die aufgewiesenen Bedingtheiten nicht auf die Literatur dieser Zeit beschränkt geblieben sind, sondern ebenso in der Malerei vornehmlich der Welthandelsmacht Niederlande ihren Niedersclag gefunden haben, hat die Vf. treffend beobachtet und durch ausgewählte Beispiele der Stillebenmalerei des XVI. und XVII. Jahrhunderts illustriert (Taf. 1-8). So betrifft der methodische Ansatz dieser außergewöhlich ergebnisreichen Untersuchung auch die Kunstwissenschaft des Manierismus und des Barock in Nordeuropa. Eine derartig verstandene Philologie wird zur Kulturwissenschaft und hilft dazu, die Aufsplitterung in geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer zu überwinden.
Die klare Sprache und der flüssige Stil der Vf. machen die Lektüre dieses methodisch und interpretatorisch gleichermaßen geglückten Buches zu einem Vergnügen. Auf den zu Anfang genannten exemplarischen Wert des hier aufgezeigten neuen Forschungsansatzes sei nochmals nachdrücklich hingewiesen.”

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Auszug aus der Rezension von M. Bechtle, Toronto, “Neuland in der anglistischen Forschung”, Toronto Courier (11. September 1980).

“Aus der Schule des Anglisten Horst Oppel liegt jetzt die Habilitationsschrift von Frau Prof. Dr. Hildegard Hammerschmidt (z. Zt. Leiterin des Kulturreferats am Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Toronto) vor, die den Einfluss untersucht, den die englischen Expeditionen und Entdeckungsfahrten des 16. Jahrhunderts und der damit verbundene Aufschwung des Handels mit den Ländern der neuen und der alten Welt auf die Lebensführung, die Sprache und die Literatur Englands im Zeitalter Shakespeares ausgeübt hat. Dies geschieht anhand der zwischen 1550 und 1630 verstärkt nach London einströmenden neuen Importgüter. [...]
Die Verfasserin entwirft in Teil I ihres Buches [...] ein realistisches Bild dieses Zeitalters und zeigt auf, wie sich unter dem Zustrom der neuen und begehrten Dinge aus Übersee die Lebensführung insbesondere der mittleren und oberen sozialen Schichten Englands wandelt. Die Luxusartikel und Genussmittel ferner Länder gewinnen einen ungeahnten Prestigewert und vermögen das Ansehen ihres Besitzers zu steigern. Dies gilt nicht nur für Kartoffeln (speziell die Süsskartoffel), Tabak, Mandeln, Apfelsinen, Oliven, Melonen, russischen Kaviar, Artischocken, die Gewürze Indiens, holländischen ‘Genever’ (=Gin), eine Vielzahl mediterraner, französischer und deutscher Weine (darunter ‘backrag’ = Bacharach und ‘hockamore’ = Hochheim am Main), sondern auch für chinesisches Porzellan, exotische Muscheln, westindische Perlen, Bernstein, Elfenbein, Samt aus Genua und Seide aus China, die Baumwolltuche Malabars, Zobel aus Russland und Teppiche aus Persien. Besonders gefragt waren auch Neuheiten wie Uhren und Kutschen aus Deutschland. [...] Überall sind freilich auch die Spuren des nunmehr direkt zugänglichen indischen Subkontinents und des neuen Kontinents Amerika greifbar. Teil II ist daher dem literarischen Niederschlag gewidmet, den die neuen Luxus- und Genussmittel und die mit ihnen übernommenen neuen Bezeichnungen in der englischen Literatur des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts zu erzielen vermochten. Dabei zeigt sich, dass insbesondere Shakespeare reichhaltigen Gebrauch macht von den Assoziationen, die die exotischen Waren aus Übersee wachrufen.
In einem Anhang mit Bildteil weist die Verfasserin darauf hin, dass sich auch die Malerei jener Zeit, insbesondere die Stilleben-Malerei der Niederlande, der Faszination nicht entziehen konnte, die die von den neuen Importgütern ausgehende Exotik ausübte. Dieselben Dinge, die die Vorstellungskraft der englischen Dramatiker bereichern, finden Eingang in die Ölbildkunst der niederländischen Maler und verbildlichen dort nicht selten das Thema vanitas, die Vergänglichkeit allen irdischen Lebens. Besonders beliebt war in diesem Zusammenhang ein Importgut, das der neue Kontinent Amerika den Europäern beschert hatte: der Tabak.
Das Buch, das nicht nur in besonders gutem Stil geschrieben ist, sondern in der anglistischen Forschung überdies Neuland betritt, dürfte sowohl dem Experten als auch dem Literaturfreund im allgemeinen grosses Vergnügen bereiten.”

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